Das Südbahnhotel
Nach Inbetriebnahme der Pustertaler Bahn am 20.November 1871, stellte sich bald heraus, dass die Auslastung der Züge erheblich zu Wünschen übrig ließ. Der Generladirektor der k.u.k. privilegierten Südbahngesellschaft, Friedrich Julius Schüler erkannte schnell die wirtschaftspolitische Bedeutung des aufstrebenden Fremdenverkehrs und beauftragte den Leiter der Hochbau-Abteilung, Wilhelm Ritter von Flattich aus Graz, mit der Planung eines bahneigenen Hotelkomplexes in unmittelbarer Nähe zum Toblacher Bahnhof. In architektonischer Hinsicht, hat man den damals weit verbreiteten Gründerzeit-Stil, auf das alpine Umfeld angepasst, in dem man Fachwerkbau-Elemente und dekorative Holzarbeiten (z.B. Balkone, Giebel), zum so genannten "Schweizer Stil" verbunden hat. Anbetracht der herrschenden Gründerzeitkrise (Wiener Börsenkrach von 1873), wurde auf günstige, sich beim Bahnhofbau bewährte Baumaterialien, zurückgegriffen. Flattich meinte dazu selbst: "Das Hotelgebäude wird im Äußeren und Inneren einfach, aber anständig und solid ausgeführt"(1). Der erste Spatenstich erfolgte am 22. August 1877 (2), im November war bereits der Rohbau fertiggestellt und es konnte die Firstfeier stattfinden. Im Frühjahr gingen die Arbeiten auf Hochdruck weiter und das Südbahnhotel konnte noch rechtzeitig zur Sommersaison den Betrieb aufnehmen (3). Noch vor Baubeginn stellte sich die Frage, wer das Hotel einmal fertiggestellt, führen soll. Für die Südbahngesellschaft kam nur eine Verpachtung in Frage und man war sich bewußt, daß der Auswahl des Pächters aller größte Bedeutung zu kam. Nur wer in der Lage gewesen wäre, die großbürgerliche und aristokratische Klientel durch entsprechenden Service, Küche und Unterbringung zufrieden zu stellen, hätte die Mittel erwirtschaftet, um die von der Südbahngesellschaft getätigten Investitionen zu erstatten. Durch den Zuschlag an das Ehepaar Ignaz und Elise Überbacher gelang der Südbahngesellschft ein wahrer Glückstreffer. Dank ihrer unternehmerischen Begabung führte Elise Überbacher das Südbahnhotel souverän: Sie fand stets den richtigen Umgangston mit den anspruchsvollen Gästen, als auch wusste Sie wie die Angestellten und Einheimischen zu behandeln. Das herrschaftliche Auftreten von Elisa Überbacher brachte ihr, in einer fast fünfzig Jahre dauernden Tätigkeit, respektvoll den Übernamen: "die Gnädige" ein. Die Saison 1878 verlief so erfolgreich, dass die Südbahngesellschaft bereits im Mai 1879 die Ausweitung um den linken Flügel beschloß. Der Ausbau wurde sofort nach Ende der Sommersaison begonnen und noch im November konnte der in Bayern gefertigte Dachstuhl aufgesetzt werden. Abgesehen von der Saison 1883, welche auf das Hochwasser vom Herbst 1882 folgte, konnten durchwegs gute Aufenthaltszahlen verbucht werden. Zehn Jahre nach Eröffnung der Südbahnhotels erwarben Elise und Ignaz Überbacher das Hotel und benannten es um in Hotel Toblach. Am Ende der Sommersaison 1887 stellte sich ein Glücksfall ein, welcher die Geschicke des Hotels Toblach, aber auch des Dorfes und der umliegenden Region, nachhaltig hinsichtlich der touristischen Entwicklung beeinflusst hätte. Am 7. September 1887 traf der deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm mit seiner Gattin und den Töchtern Viktoria, Sophie und Margarethe im Hotel Toblach ein (4). Der Kronprinz litt an einem Kehlkopfkrebs und erhoffte sich in der reinen Bergluft Linderung seines Leidens. Nach drei Wochen reiste die kaiserliche Familie nach Venedig weiter. Nach einer nur 99 Tagen währenden Regentschaft, erlag Kaiser Friedrich III am 14. Juni 1888 dem Krebsleiden. Vielleicht trug auch dieses tragische Schicksal dazu bei, dass der Namen Toblach im deutschen Reiche in aller Munde war. Der Strom deutscher Touristen schwoll von Jahr zu Jahr an, andere Nationen folgten. Diese rasante Entwicklung des Fremdenverkehrs bewirkte ab 1890 in Neu-Toblach einen richtigen Bau-Boom an Hotels und Pensionen.
Die gestiegene Nachfrage bewog auch Elise Überbacher ihr Hotel Toblach zuerst im Herbst 1888 um eine Osttrakt, schließlich 1995 um den so genannten "Fürstenhof", zu erweitern. Auf Grund der neuen Gebäude wurde eine Trennung der Gäste nach deren sozialem und wirtschaftlichen Status möglich. Während im alten Trakt die "normale" Kundschaft bewirtet wurde, war der Fürstenhof dem exklusiven Publikum vorbehalten. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, fand dieser einmalige wirtschaftliche Aufschwung ein jähes Ende. Bereits im Sommer 1914 reisten die verunsicherten Gäste frühzeitig ab und die Hotels und Gastbetriebe leerten sich schlagartig. Als dann am 23. Mai 1915 das Italienische Königreich der K.u.K Monarchie den Krieg erklärte, rückte die Kriegsfront in aller nächste Nähe. Durch seine geschützte Lage wurde das Grandhotel Toblach durch den Beschuss italienischer Artillerie aus dem Gebiet Misurina, nur begrenzt am westlichen Flügel getroffen. Das kaum beschädigte Grandhotel Toblach wurde im Laufe des Krieges als Lazarett verwendet.
Mit dem Kriegsende ergab sich eine völlig veränderte Situation. Durch den Friedensvertrag von St. Germain (10 September 1919) wurde der neue Grenzverlauf bei Winnebach besiegelt. Das Hochpustertal war mindestens durch eine Staatsgrenze von der bisherigen touristischen Kundschaft getrennt. Allmählich konnte sich der Fremdenverkehr, durch das wachsende Interesse für den alpinen Tourismus seitens italienischer Gäste, wieder erholen. In diese Zeit fiel der Tod von Elise Überbacher (1926) und Übernahme durch ihren Sohn Max. Mit der weltweiten Wirtschaftskrise von 1929 wurde diese Erholungsfase abrupt beendet. 1932 eröffnete das Gericht in Bozen das Konkursverfahren gegen Max Überbacher und 1934 wurden alle Liegenschaften versteigert. Das Haus wurde noch bis 1939 von der gleichnamigen Tochter Elisabeth Überbacher als Direktorin weiter geführt, schließlich aber an den Dachverband der Faschistischen Partei in Bologna veräußert. Die "Confederazione dei Fasci" nutzte das Hotel als Ferienheim für die Kinder von Parteimitgliedern. Infolge Waffenstillstandsabkommen vom 8.September 1943, mit welchem Italien aus dem Bündnis mit Hitler Deutschland ausschied, rückte das Grandhotel nochmal in den Blickpunkt der Geschichte. Am 11. September 1943 besetzte Feldmarschall Kesselring Florenz. Am 2.Oktober erfolgte der Befehl das gesamte "Istituto Geografico Militare" (Kartografischer und geografischer Militärdienst) von Florenz nach Toblach zu verlegen (5). Mit 350 Eisenbahnwaggons wurden Archiv, Karten und Maschinen und etwa 700 Personen (Angestellte und Familienangehörige) nach Toblach verlegt. Das IGM wurde im Grandhotel Toblach und in der neuen Kaserne untergebracht, Angestellte und Familienangehörige auf 6 Hotels aufgeteilt. Die militärische und wirtschaftspolitische Bedeutung des IGM, haben Toblach, zum Unterschied der Nachbargemeinden, in den letzten Kriegsmonaten eine Bombardierung durch die alliierten Luftstreitkräfte erspart. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging das Grandhotel Toblach von der aufgelösten "Confederazione Fascista" in das Eigentum der "Pontificia Opere di Assistenza" aus Bologna über. Diese katholisch karitative Organisation nutzte das Grandhotel als Ferienheim für bedürftige Kinder. Mit Zügen, welche von drei Dampflokomotiven gezogen wurden, kamen in den Sommermonaten bis zu 800 Kinder in die Ferienkolonie. Auf diese einheitlich in Blau uniformierten Kinderscharen, konnte man im gesamten Dorfgebiet treffen. Konfliktsituationen mit dem Gastgewerbe und Handel waren unvermeidbar.
Anfang der achtziger Jahre veränderte das päpstliche Hilfswerk die Nutzung der Grandhotels; neben Kindern und Jugendlichen wurden nun auch Familien beherbergt, die Gesamtzahl der Untergebrachten reduzierte sich drastisch. In den Jahren 1995 bis 2000 wurde das Grandhotel grundsaniert und großteils neuen Verwendungszwecken zugeführt, u.a. als Kulturzentrum, Kongresszentrum, Konzertsaal, Naturparkhaus, Jugendherberge.
Quellennachweis
(1) Hans Heiss, Grandhotel Toblach, Folio Verlag Wien, Bozen 1999, Seite 19.
(2) Der Bote für Tirol, Ausgabe vom 25.08.1877, Seite 1525.
(3) Hans Heiss, Grandhotel Toblach, Folio Verlag Wien, Bozen 1999, Seite 22.
(4) Illustrierte Zeitschrift, Erste Daheim-Beilage zu N°1, 1888, Seite 25.
(5) Rosanna Pruccoli und Tiziano Rosani, L'IGM a Dobbiaco tra il 1943 e il 1945, Circolo culturale "Alta Pusteria" Dobbiaco 2003, Seite 28.