Die Pustertalbahn
Der Eisenbahnbau war neben der Industrialisierung, einer der wichtigsten Faktoren, welcher zu Beginn der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts, einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung in der k.k. Monarchie, die so genannte Gründerzeit-Periode, bewirkte. Daher ist es kaum verwunderlich, dass bereits 1845 von den Tirolern Ständen eine Petition an Kaiser Ferdinand I, zur Anlegung einer Eisenbahn mit Pferdekraft von Marburg über Klagenfurt, Villach, weiter nach Lienz bis Franzensfeste, ergangen ist. Dieses Antriebsmittel mag zwar aus heutiger Sicht eigenartig erscheinen, jedoch sollte man bedenken, dass gerade eine solche Pferdebahn 1833 von Linz nach Budweis eröffnet worden war (1). Der Antrag wurde zwar zurückgewiesen, stellte aber den Anstoß zu jener Entwicklung dar, welche 26 Jahre später zur Realisierung der Pustertalbahn führen sollte. Die seit den fünfziger Jahren angespannte Finanzlage des k.k. Staatshaushaltes hatte zur Folge, dass praktisch alle südlich der Donau gelegenen Eisenbahnlinien privatisiert und an die k.k. privilegierte Südbahngesellschaft übertragen wurden. Die von der international tätigen Bankierfamilie Rothschild kontrollierte k.k. priv. Südbahngesellschaft, verpflichtete sich mit Konzessionsurkunde vom September 1858, die Kärtnerbahn von Marburg, über Klagenfurt und Villach nach Lienz fertig zu stellen und dann die Strecke durch das Pustertal bis nach Franzensfeste (ursprünglich war Brixen vorgesehen) auszubauen.
Der Bau der Pustertaler Bahn, zog sich infolge langwieriger Verhandlungen hinsichtlich der Finanzierungsfrage, immer wieder hinaus. Schließlich beschleunigten die militärischen und kommerziellen Staatsinteressen das Projekt und am 27. Juli 1869 wurde zwischen k.k. Handelsministerium und k.k. Finanzministerium "in Vertretung des k.k. Aerars" einerseits und dem Verwaltungsrat der k.k. priv. Süddbahngesellschaft andererseits ein Übereinkommen unterzeichnet, das die staatliche Beteiligung an der zu errichtenden Bahnlinie regelte. Am 9. Oktober 1869 wurde das Teilstück Lienz-Franzensfeste an die Unternehmung Hügel, Sager und Angermann aus München vergeben, während die Etappe Villach-Lienz der Pariser Firma Gouin&Comp. zugesprochen wurde. Die beiden Unternehmen führten den Auftrag im "Pauschalakkord" aus. In der erstaunlich kurzen Zeit von nur 26 Monaten, legten die Spezialfirmen mit verglichen zu heute armseliger Maschinenunterstützung, aber einem geradezu "chinesischen" Menschenaufgebot den Schienenstrang, der später ein Parallelgleis erhalten sollte, durch das Drau- und das Pustertal. Die Arbeiten wurden mit einem solchen Tempo vorangetrieben, dass die vorgesehene Bauzeit um 10 Monate unterboten wurde (2). Am 20. November wurde die Bahnlinie Villach-Franzensfeste dem öffentlichen Verkehr übergeben. Um dieselbe Strecke mit den gelben Postwagen zu bewältigen, wurde der Fahrgast etwa 26 Stunden durchgeschüttelt, einmal ganz abgesehen von möglichen Verspätungen, wie z.B. durch Schneestürme im Winter. Bei einer Geschwindigkeit zwischen 4 und 6 österreichischen Meilen pro Stunde (ca. 30 bis 45 Km/h) reduzierte sich die Fahrtzeit mit der Eisenbahn, dazu bei wesentlich höherem Fahrkomfort, etwa um das Fünffache (3). Die offizielle Einweihung erfolgte in Lienz, wodurch es im "rivalisierenden" Bruneck zu erheblicher Missstimmung kam. Die hinsichtlich Feierlichkeiten eher zurückhaltende Einstellung der Südbahngesellschaft, war jedoch keine Neuheit; auch die Einweihungen der Semmering- und der Brennerbahn waren recht unspektakulär verlaufen. Die Polemik wurde sicherlich durch die Entscheidung der Südbahngesellschaft besänftigt, den für die Festlichkeiten vorgesehenen Betrag von 20.000 Gulden, unter den Armen der entlang der Pustertaler Eisenbahn gelegenen Gemeinden zu verteilen. (4)
Die strategische Bedeutung der Pustertalbahn wird klar, wenn man bedenkt, dass es sich damals um die einzige Ost-West-Verbindung zwischen der Brennerbahn und der Strecke Wien-Triest handelte, welche ausschließlich auf österreichischem Hoheitsgebiet verlief. Die Verbindung Villach-Franzensfeste stellte nicht nur für das Pustertal, aber für ganz Tirol einen kommunikationstechnischen Quantensprung dar (5). Das Pustertal, bis dahin ein nur unter größten Strapazen und Zeitaufwand erreichbares Hochgebirgstal, befand sich über Nacht, nur noch etwa eine Tagesfahrt von den wichtigsten Ballungszentren der k.k. Monarchie, Süddeutschlands und Norditaliens entfernt. So betrug die Fahrzeit um 1900 nach Toblach von: Innsbruck 4 Std. 39 Min.; München 8 Std. 09 Min.; Berlin 21 Std. 04 Min.; Wien 13 Std 08 Min.; Triest 14 Std. 38 Min.; Budapest 14 Std. 48 Min. Abgesehen vom Transitverkehr von Waren und Personen, stellte der sich entwickelnde Fremdenverkehr von Sommerfrischlern und Bergenthusiasten, eine einzigartige Entwicklungschance für die lokale Wirtschaft dar. Jedoch aller Anfang war auch damals schwer und so beklagte man in der ersten Zeit eine mangelhafte Auslastung der Züge. Der anfangs schleppende Zuwachs im Fremdenverkehr, dürfte weniger am mangelnden Interesse der potentiellen Besucher an der damals als "exotisch" empfundenen Bergwelt gelegen haben, sondern viel mehr an der unzureichenden Infrastruktur an Hotels und Pensionen, welche in der Lage gewesen wären, einer sozial und wirtschaftlich gehobenen Klientel, angemessene Leistungen zu bieten. So war ursprünglich in Toblach, aufgrund der großen Entfernung zum Altdorf, keine Haltestelle vorgesehen, da dort wo heute Neu-Toblach steht, noch eine grüne Wiese war. Eine Interessengemeinschaft aus Toblacher und Cortineser Gastwirten, wurde in Innsbruck vorstellig um die Errichtung des wichtigen Bahnhofs zu erreichen. Die Südbahngesellschaft lenkte unter der Voraussetzung ein, dass an der Kreuzung zwischen Bahn und Reichsstraße nach Ampezzo, ein Hotel mit Restauration erreichtet werde.
Unter Beteiligung des Höhlenstein-Wirtes und Postmeisters Josef Baur und den Cortinesern Gastwirten Romeo Manaigo und Familie Ghedina, wurde eine Gesellschaft zur Erbauung des geforderten Hotels gegründet. Die Finanzierung wurde mit einem Kapital von 150.000 Kronen abgesichert und das Hotel wurde bereits um 1872 eröffnet. Das Hotel tauchte in den Reiseführern anfänglich als Hotel Baur auf, nachher unter diversen Bezeichnungen, etwa als Gesellschaftshotel Toblach und erhielt schließlich um 1900 die endgültige Bezeichnung, Hotel Ampezzo (6).
Anfänglich dürfte das Hotel über knapp 20 Zimmer verfügt haben, welche aber anscheinend schon Anfang der siebziger Jahre, in keiner Weise ausreichten. "Wenige Schritte von der Bahnstation entfernt, befindet sich die so genannte Restauration, ein erst vor wenigen Jahren erbautes Gasthaus, das hier allerdings unentbehrlich ist. Für den starken Verkehr jedoch der hier herrscht, ist es viel zu klein und nur der fortdauernden Rührigkeit des Leiters Herrn De Punt ist es zu danken, dass die Bedürfnisse der Fremden gestillt werden"(7). Der Fremdenverkehr dürfte in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre verstärkt eingesetzt haben, um dann um 1880 einen ersten Höhepunkt zu erreichen. Der Bau des Südbahnhotels (siehe Ansichten - Südbahnhotel) im Jahre 1878, bedeutete für Toblach, die umliegenden Gemeinden, aber auch für die gesamte Region, den Anbruch des touristischen Zeitalters. Im August 1903 verzeichnete der Bahnhof Toblach dann die respektable Anzahl von 16.000 ankommenden Reisenden (8).
Quellennachweis
(1) Francesco Pozzato, Die Bahn im Pustertal, Athesia, Bozen 1989, Seite 11
(2) 100 Jahre Pustertalbahn, Festschrift, Verkehrsverein Osttirol, Lienz 1971
(3) Pustertaler Bote, vom 24.11.1871, Seite 187
(4) Pustertaler Bote, vom 01.12.1871, Seite 190
(5) Hans Heiss, Grandhotel Toblach, Kulturzentrum Grandhotel Toblach, Bozen 1999, Seite 8
(6) Hans Kramer, Beiträge zur Geschichte von Toblach im letzten Jahrhundert, Der Schlern 1953, Seite 404
(7) Paul Grohmann, Wanderungen in den Dolomiten,Verlag von Carl Gerold's Sohn, Wien 1877, Seite 234
(8) Jos. A. Roracher, Toblach und das Ampezzotal, Zweite Auflage, Bruckmann's Verlag, 1902, München, Seite 5.