Die Ampezzostraße
Zahlreiche Funde von Meilensteinen bekunden, daß durch das Pustertal bereits im 1.Jahrhundert eine gut ausgebaute Römerstraße geführt und die Städte Sebatum (S. Lorenzen), Littanum (Innichen) und Aguntum (Lienz) verbunden hat. Es gibt jedoch keinerlei Hinweise dafür, daß die Römer den Weg durch das Höhlensteintal und weiter durch das Boitetal nach Ampezzo erschlossen hätten. In Ampezzo selbst gibt es keine Anzeichen für Siedlungen, welche vor dem 8. bzw. 9. Jahrhundert entstanden sind, um so weniger aus römischer Zeit (1). Ausschlaggebend dürfte gewesen sein, daß die Römer als Nord-Süd-Verbindung, die Straße von Aguntum nach Aquileia über den Gailberg und Plöckenpass bevorzugten. Weiters eine Trassierung bzw. Befahrung durch die Felizon-Schlucht, von Peutelstein hinab in das Boitetal, mit aller größten Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre. Darüber, wann aus einem Fußpfad ein befahrbarer Karrenweg entstanden ist, gibt es keine Gewissheit. Die Annahme, dass dies im Zusammenhang mit dem 3. Kreuzzug (1189-1192), an welchem Kaiser Friedrich I, genannt Barbarossa und die Republik Venedig teilgenommen haben, erfolgt sein kann (2), gilt als warhscheinlich. Sicher ist, daß die Straße, welche in steilen Serpentinen unter der Burg von Peutelstein empor führte, durch die Wachmannschaften strengstens kontrolliert wurde. Diese Praxis wird von Pater Felix Schmied im Januar 1484 auf seiner Pilgerreise zurück aus dem Heiligen Land nach Schwaben, beschrieben: "Wir gelangten schließlich nach Putasten, der italienische Namen des Schlosses, während im Deutschen Bütelstein genannt, auf einem hohen Felsen gelegen; durch die darunter liegenden Täler führen keine Straßen und wer fortfahren will, muß notgedrungen bis zur Befestigung empor steigen; die öffentliche Straße steigt sehr steil an und die Karren mit Waren beladen, müssen unter größter Anstrengung hinauf gezogen werden. Wir stiegen also bis nach Putasten empor, wo uns die Wachen der Burg entgegen kamen. Man fragte uns woher wir kämen und wohin wir zu gehen gedachten und nachdem man unsere Begründungen vernommen hatte, ließ man uns weiter ziehen. Diese Burg befindet sich am Ende der des Hoheitsgebiets Venedigs und wird in Kriegszeiten mit größtem Eifer bewacht, und niemand erhält vor Untersuchung, die Erlaubnis zum Durchlass"(3).
Die Ampezzostraße wurde hauptsächlich von Händlern, Soldaten und Pilgern benutzt und stellte die kürzeste Verbindung zwischen Venedig und den deutschen Ländern dar. Der Reisende konnte auf der etwa 30 Kilometer langen Strecke, nur mit zwei verlässlichen Unterkünften rechnen; dem Meierhof in Höhlenstein (ital. Landro) und dem Hospiz in Ospitale. Diese befanden sich zu den Dörfern Toblach und Ampezzo, bzw. untereinander, jeweils in einem Abstand von etwa einem Drittel der Gesamtstrecke. Die Straße selbst muss in einem eher schlechten Zustand gewesen sein, welcher besonders im Winter das Befahren zu einem äußerst gefährlichen Unternehmen werden ließ. Pater Felix Schmied schreibt von mit Schnee bedeckten Schlaglöchern, steinigem, dann wieder sumpfigem Untergrund. Abgesehen von Instandhaltungsarbeiten und leichten Kurskorrekturen, verblieb die Straße bis Anfang des 19. Jahrhunderts in dem "primitiven" Zustand. Eine völlig neue und den modernen Verkehrsanforderungen entsprechende Straße wurde 1829 fertig gestellt, 1930 durch Erzherzog Rainer d. Ält. eröffnet und 1832 für den Postverkehr freigegeben.(4) Dabei wurde Peutelstein durch ein große Kehre, vorwiegend durch eine aus dem Felsen gesprengte Terrassierung, westlich umfahren. Diese Straßenführung entspricht fast noch genau dem Verlauf der heutigen Staatsstraße.
Quellenachweis
(1) Mario Ferruccio Belli, Storia di Cortina d'Ampezzo, Tamari Editori, 2.Ausgabe, Bologna 1974, Seite 12
(2) Giuseppe Richebuono, Il castello di Botestagno in Ampezzo, Cortina d'Ampezzo 1994, Seite 13
(3) Fratris Felicis Fabri, Evagatorium in Terrae Sancte, Arabiae et Egypti, Volumen Tertium, Literarischer Verein Stuttgart, 1849, Seite 448
(4) Hans Kramer, Beiträge zur Geschichte von Toblach im letzten Jahrhundert, Der Schlern 1953, Seite 407